Liebe Familien,

bei uns im Spielraum gibt es viele Räume - echte Räume und solche im übertragenen Sinne. Beide sind für uns von großer Wichtigkeit und werden mit Hilfe unserer pädagogischen Grundsätze mit Sinn und Leben gefüllt. Einen kleinen Einblick in unsere pädagogische Grundhaltung wollen wir Ihnen an dieser Stelle ermöglichen.

Wir orientieren uns an dem reformpädagogischen Ansatz der Reggio-Pädagogik, der unser Bild vom Kind und vom Lernen prägt. Unsere Arbeit ist darüber hinaus geprägt von systemischen Grundsätzen der Ressourcen- und Lösungsorientierung: wir schauen darauf, was gut läuft und wo wir hin wollen. Und für diese Lösungen sind sehr häufig Konfliktbewältigungen von Nöten. Dabei unterstützen wir die Drachenkinder, so dass die Bedürfnisse aller bei den Lösungen beachtet werden.

 

Reggio-Pädagogik

Ressourcen- und Lösungsorientierung

Bedürfnisorientierte Konfliktlösung

Reggio-Pädagogik in der Kita Spielraum

Woher kommt die Reggio-Pädagogik?

Dieser moderne pädagogische Ansatz entwickelte sich während der 1960er und 1970er Jahre in Reggio Emilia in Norditalien und ist dem Bereich der Reformpädagogik zuzurechnen, auch wenn die klassischen reformpädagogischen Ansätze früher entwickelt wurden. Mitbeeinflusst durch die Erfahrungen aus Krieg und Gewaltherrschaft wurde nach Ideen von Loris Malaguzzi eine den städtischen Kita-Einrichtungen gemeinsame Philosophie der Pädagogik entwickelt, der ein humanistisches Menschenbild, eine demokratische Gesellschaftsvorstellung, ein konstruktivistisches Bildungsverständnis und eine partizipative Kultur zugrunde liegt.

Unser reggio-orientiertes Bild vom Kind

Wir sehen die Kinder als Konstrukteur:innen ihrer Entwicklung sowie ihres Wissens und Könnens. Ihnen wird zugetraut, dass sie ihre Interessen, Themen und Handlungsstrategien als Entdecker:innen, Forscher:innen und Kunstschaffende selbst entwerfen. Wir gehen also davon aus, dass ein Kind von Natur aus neugierig ist und die Welt mit allen Sinnen erforschen will, um sie dadurch zu erobern. Wir glauben, dass die Kinder Expert:innen ihrer selbst sind und mit voller Energie die eigene Entwicklung vorantreiben.

Wie Kinder nach dem reggianischen Bildungsverständnis lernen

Lernen wird in der Reggio-Pädagogik als kreativer Akt gewertet. Im Einklang mit aktuellen Befunden der Hirnforschung wird angenommen, dass nachhaltiges Lernen immer dann gelingt, wenn erstens eine hohe Intensität sinnlicher Wahrnehmung vorliegt und zweitens eine emotionale Beziehung zum Lerngegenstand be- oder entsteht. Drittens wird für die Nachhaltigkeit angenommen, dass ein hohes Maß an individueller Lernorganisation gegeben sein muss.

Lernen erfolgt nicht durch Anleitung und/oder Übung, sondern wird vom Kind selbst vollzogen, wenn es eine reiche Umwelt vorfindet, mit der es sich auseinander setzen kann. In diesem Sinne verstehen wir unsere Bildungsangebote als kindorientiert.

Die 100 Sprachen des Kindes - der Kern der Reggio-Pädagogik

Die Reggio-Pädagogik wird durch einige wichtige Zitate gekennzeichnet. Eines dieser charakteristischen Sprachbilder von Loris Malaguzzi ist, die Metapher, das Kind habe 100 Sprachen. Ausgangspunkt dieser Metapher ist die Annahme, dass jedes Handeln der Kinder etwas darüber erkennen lässt, wie und warum sie handeln und welche Bilder über die Welt sie konstruiert haben. Sie nutzen dabei alle Mittel und Werkzeuge – und eben nicht nur die gesprochene Sprache – die ihnen zugänglich sind. Jedes Ausdrucksmittel für das kindliche Handeln, Denken, Vorstellen und Empfinden wird als gleichwertig behandelt. Und daraus abgeleitet wird die Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte, stets einen Reichtum an Werkzeugen und Ausdrucksmitteln bereitzustellen.

Ein zentrales Ziel der Reggio-Pädagogik ist es daher, jedem Kind eine Stimme zu geben. Diese Ziel greifen wir im Spielraum auf.

Die Pädagogik des Zuhörens - die Aufgabe unserer pädagogischen Fachkräfte

Zentrale Aufgabe der pädagogischen Fachkraft in der Reggio-Pädagogik ist die Entwicklung einer Kultur des Wahrnehmens und des Austausches über das, was man von und mit den Kindern wahrgenommen hat. Die Kinder werden in ihrem individuellen Ausdruck wahr- und ernst genommen. Daran anknüpfend ist es den pädagogisch Handelnden möglich, die Situation so zu strukturieren, dass sich daraus weitreichende Lernprozesse entwickeln können.

Die Erwachsenen hören zu, was ein Kind zu sagen hat, fragen nach dem Sinn des Gesagten, nehmen darüber hinaus den Reichtum des individuellen Erlebens und Handelns wahr und unterstützen dabei, diesem Reichtum Ausdruck zu verleihen. Dies beschreibt die Pädagogik des Zuhörens. Diese wird ergänzt um das Anliegen, die Vielfalt der individuellen Stimmen der Kinder miteinander ins Gespräch zu bringen, so dass das Lernen in Gruppen und Projekten ständige Grundlage des kindlichen Lernens wird.

Als Begleitende schaffen die pädagogischen Fachkräfte außerdem eine Atmosphäre des Wohlbefindens. Dabei stehen Vertrauen, Freiheit in der Wahl der Tätigkeit und Berücksichtigung des individuellen Lernrhythmus im Zentrum der Haltung und des Handelns der Fachkräfte. Zum Verständnis als Begleitende gehört ebenso, dass stets Anregungen gegeben werden, jedoch keine Lösungen vorgesetzt werden. Aufgabe im Sinne der Begleitung ist es auch, stets Zeit und Raum für sinnliche Wahrnehmungen zu schaffen. Die pädagogische Fachkraft hat außerdem den Auftrag Zeug:in der individuellen Potentiale der Kinder zu werden und damit aufmerksam für alle Ausdrucksformen der Kinder zu sein. Sie zeigt Interesse, lernt den Mitteilungscode des Kindes kennen und plant Zeit für Kommunikation ein, um die Potentiale des Kindes zu erfassen und rückzumelden.

Der Raum als dritter Erzieher - Raumgestaltung und Dokumentation nach Reggio-Art

Die Reggio-Pädagogik ist außerdem bekannt für ihre Architektur und Raumgestaltung. So wird dem Kind das Recht auf eine angemessene Architektur zugeschrieben. Man geht davon aus, dass es eine Beziehung zwischen der Qualität des Raumes und der Qualität von Lernprozessen gibt. Neben den anderen Kindern und den Erwachsenen wird der Raum als „dritter Erzieher“ definiert und erhält die dieser Rolle gebührende Aufmerksamkeit.

Die Räume einer reggianischen Einrichtung ermöglichen es, zwischen verschiedenen Tätigkeiten zu wählen. Deswegen sind den Kindern in ihrem jeweiligen Gruppenbereich alle Materialien jederzeit zugänglich. Der Gruppenraum ist als zusammen gehörende Raumeinheit gestaltet, die alle Funktionsbereiche beinhaltet.

Die Räume ermöglichen es den Kindern außerdem, bei den Tätigkeiten Spuren  hinterlassen, über die die Beteiligten ins Gespräch kommen können. Die Kinder arbeiten nicht nur in Gedanken oder tauschen sich mündlich aus, sondern es soll stets zur einer „Verdinglichung“ kommen, d.h. es werden Zeugnisse der Gedanken oder des Austausches erstellt und in diesem Sinne Spuren hinterlassen. Dafür müssen Werkzeuge und Materialien bereit stehen. Diese sind in reggianischer Tradition möglichst alltagsbezogen und multifunktional. Die Aufbewahrung selbst folgt ästhetischen Gesichtspunkten, denn Ästhetik und Ordnung sind wichtige Gestaltungsprinzipien, damit Lernen  und Arbeiten vergnüglich und lustvoll werden. Es macht Spaß sich im Gruppenbereich aufzuhalten und neugierig darauf, die Materialien auszuprobieren. Die Materialien werden weitgehend sichtbar in offenen Regalen aufbewahrt. Alles, was für die Kinder erreichbar ist, darf eigenständig genutzt werden. Alles über der Kinderhöhe bedarf der Absprache.

Die Reggio-Pädagogik hat keine eigenen Lern- und Beschäftigungsmaterialien entworfen, sondern lässt stellt den Kindern die reale Welt zur Nutzung zur Verfügung. Es gibt viel kleinteiliges Material – Unmengen an Knöpfen, Glasperlen, Stöckern, Holzscheiben - je nach Altersgruppe!

 

Des Weiteren sind die so genannten sprechenden Wände ein besonderes Kennzeichen der Reggio-Pädagogik. Da wir die Kinder verstehen, wertschätzen und miteinander ins Gespräch bringen wollen, sind die Zeugnisse der Dokumentation sichtbar in den Räumen angebracht. Die Wände werden also genutzt, um die Konstruktionen der Kinder darzustellen und für alle zugänglich zu machen – für die Kinder sowie die Eltern. Aufgrund dieser Kommunikationsfunktion werden sie auch als sprechende Wände bezeichnet, die Zeugnis geben über die Tätigkeit und die Konstruktionen der Kinder.

Wie die Kinder im reggianischen Sinne partizipieren können

Bedingt durch die Philosophie der Reggio-Pädagogik stellt das Aufgreifen der Interessen und Themen der Kinder ein zentrales pädagogisches Handeln im Alltag dar. So wird spontan und flexibel der passende Rahmen für das entdeckende Lernen geschaffen, der in hohem Maße durch die Kinder mitbestimmt ist. Partizipation wird daher in einem großen Maße im Alltag gelebt. Kinderkonferenzen sind ein fester Bestandteil der gemeinsamen Arbeit im Sinne der Partizipation der Kinder.

Öffnung zum Sozialraum - unterwegs in der Umgebung

Wir sind sichtbar mit den Drachenkindern und erkunden die Umgebung. Der Entdeckungs- und Gestaltungsspielraum ist nicht auf unser Haus und den Garten beschränkt, sondern bezieht die Umgebung mit ein. Der Spielraum soll das Nest bzw. der Hafen sein, in das bzw. in den man nach spannenden Entdeckungstouren zurückkommt, um sich Geschichten darüber zu erzählen.

So prägt ein fester Wald- und Wiesentag der Elementargruppe den Wochenlauf, durch den naturpädagogische Angebote eingebunden werden. Um Impulse zur motorischen Entwicklung zu setzen, gibt es einen wöchentlichen Sporttag. Darüber hinaus möchten wir projektbezogen wichtige Institutionen der Stadt besuchen: die Feuerwehr, die Polizei, die Kirche, ein Altersheim. Wir möchten den Kindern so den Kontakt zur Erwachsenenwelt mit ihren vielfältigen Aufgaben und Berufen ermöglichen und Berührungspunkte mit den Einrichtungen schaffen. Hoffen wir, dass die Corona-Situation dies bald wieder zulässt.

Ressourcen- und Lösungsorientierung

Ressourcen-Orientierung: Wir schauen darauf, was gut klappt!

Man kann die Entwicklung von Kindern auf zwei ganz unterschiedliche Arten betrachten: man kann entweder in den Fokus rücken, was das Kind noch nicht kann (Defizitorientierung) oder man blickt darauf, was ein Kind bereits kann (Ressourcenorientierung). Im Spielraum betrachten wir immer zu erst, was ein Kind bereits kann, welche Interessen es zeigt und welche Fähigkeiten es ganz allgemein mitbringt. In einem zweiten Schritt geht es um die Kompetenzen, die ein Kind als nächstes lernen könnte und wie dies in der Kita unterstützt werden kann. Dabei blicken wir nochmals auf die Ressourcen des Kindes und wie diese den nächsten Lernschritt positiv beeinflussen können.

Lösungsorientierung: Wir haben die Lösung im Blick, nicht das Problem!

Probleme sind für Kinder allgegenwärtig: die Freundin möchte etwas anderes spielen, das Lieblingsfahrzeug ist bereits besetzt, es soll unbedingt der blaue Becher sein und die Matschhose anziehen, das geht heute auf gar keinen Fall! Auch in diesen Situationen sind zwei Betrachtungsweisen möglich: wir könnten analysieren, warum die Spielwünsche verschieden sind oder warum einem Kind das Abwechseln bei den Fahrzeugen schwer fällt etc. Damit blieben wir bei dem Problem, das sich gerade zeigt. Wir bevorzugen den Blick auf die Lösung - wie kann das Kind beim Spiel der Freundin einsteigen oder eine andere Beschäftigung finden; welche Absprache zum Abwechseln bei den Fahrzeugen können die Kinder unter Anleitung der Fachkräfte entwickeln und was braucht das Kind, damit die Matschhose am regnerischen Ausflugstag doch angezogen werden kann - mehr Zeit, Unterstützung durch die Fachkraft oder kratzt da noch ein Schild?!

Bedürfnisorientierte Konfliktlösung

Bedürfnisse wahrnehmen, ausdrücken und Absprachen treffen

Unserer pädagogischen Grundhaltung nach sind Konflikte keine Defizite, sondern der Normalfall. Konflikte sind Lerngelegenheiten, weil sie Anlass anbieten, die anderen Kinder und Erwachsenen besser kennenzulernen und die Perspektiven der anderen immer mehr in das eigene Handeln integrieren zu können. Dies ist eine jahrelange Lernaufgabe, bei der wir die Kinder entsprechend ihres Entwicklungsstandes individuell begleiten - anfangs umso enger und später umso zurückhaltender.

Unsere Drachenkinder werden darin unterstützt, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen und diese anschließend auszudrücken. Mit dem einzelnen Kind wird erkundet, was es in einer konflikthaften Situation benötigt, um diese aufzulösen. Wie fühlt es sich? Wie fühlt es sich an, was gerade passiert ist? Was braucht das Kind, damit es sich wieder wohl fühlt? Welche Absprache kann gefunden werden, damit es allen wieder gut geht?

Die Drachenkinder erleben, dass ihre Gefühle und ihre Perspektive ernst genommen werden. Sie erleben auch, dass sie selbst in die Verantwortung genommen werden, einen Konflikt mit aufzulösen: die pädagogischen Fachkräfte sind keine Richter:innen, die allwissend Schuldsprüche erlassen, sondern Mediator:innen, die eine gemeinschaftliche Lösung ermöglichen. Die Drachenkinder haben also die Möglichkeit auf Basis der Sicherheit durch die begleitende Fachkraft gestärkt aus einem alltäglichen Konflikt hervorzugehen - niemand muss dies alleine klären und niemanden wird eine Lösung diktiert.

Impressionen aus unserer Kita Spielraum

Hier gibt es einen Einblick, wie das Konzept bei uns lebt!

Viel Konstruktionsmaterial, freier künstlerischer Ausdruck, Naturmaterialen, viel Holz und Gemütlichkeit!